Ich habe das hoffnungsgrüne Stück zunächst
einmal neugierig und mit wachsendem Appetit durchblättert und dann
intensiv gelesen.
Mein Gott,
wie viel Selbstvertrauen gehört
dazu, ein Buch solcher Art zu schreiben und es dann auch noch zu veröffentlichen?
Was denkt sich jemand, wenner seine ganz eigene und persönliche Lebensgeschichte
einer (interessierten und gierigen) Groß-Familie preisgibt? Die Antwort
lässt WiBi im Waschzettel anklingen:
"...erzählt mit erfrischender Offenheit.."
Dennoch: Literatur (Kunst) hat andere Gesetze
als Wirklichkeit, und es muss schwer sein, beide zusammen zu bringen. Aber
die Autorin hat es riskiert, ein fast atemloses Leben - das zeigt sich
stilistisch nicht zuletzt in den Stakkato-Sätzen der Reiseschilderungen
- zwischen zwei Buchdeckel zu zwängen.
Was spürt man da? Eine eigene Art zigeunerisch-getriebenen
Heißhunger auf Welt, gemischt bei Gelegenheit mit sachlich freudiger
fast journalistisch-distanzierter Neugier, die sich allerdings - offensichtlich
aus Platzmangel - oft genug nur stichwortartig artikuliert. Als gern goutierte
Zuspeis: Bewegende Momente des Innehaltens (Abschied vom Vater und Helmut
Dreßler als Beispiele). Das freut den Leser, weil da offenbar ganz
nahe am Herzen der Autorin eine Tür aufgeht, hinter der sich Nestwärme
und Sehnsucht nach Geborgenheit ahnen lassen.
Das macht nachdenklich: Ungestillter Hunger nach
Wesentlichem?
Die in den Text gestellten Ahnentafeln wirken
in ihrer blutlosen Nüchternheit wie Pylonen einer verlorenen Weltsicht,
die sich sicher wusste im Rahmen schlichter Prinzipien, ordentlich fundamentiert
im Beton-Gefüge gesellschaftlicher Normen, die überwinden zu
müssen aus einleuchtenden Gründen die Autorin als lebensnotwendige
Pflicht sich selbst gegenüber sieht. Verständlich, wenn so das
vorgestellte Gelebte mit den einhergehenden politischen, soziologischen
und volkskundlichen Wandlungen nicht gründlich unterfüttert werden
kann.
Im Ganzen zeigt sich das Kaleidoskop eines mit
Freude gelebten Lebens, dessen Schilderung ab und an durch die Einfügung
tabellarischer Aufzählungen über die Herkunft der Familien und
die Zeichnung - wohltuender - Tupfer der Begeisterung und Anteilnahme,
des herzlich Berührtseins und die Frische der Schreibe Körperkontur
und Blut erhält.
Beginn und Einleitung einer Bilanz? Auf jeden
Fall eine Wegbeschreibung, die Story einer nachdenklichen Rastlosen.
Alles in allem: Ein prächtiges Leben - gut
gefüllt, Löwin!
Dr. Jo Wille,
Leitender Redakteur Deutsche Welle a.D. |